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Nikolaus, Nikolaus

Autoren: Hans-Peter Voglhuber

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Nikolaus, Nikolaus

Nikolaus! Was für ein blöder Name! Nikolaus ist richtig sauer, weil er Nikolaus heißt. Wie konnte man einen Jungen wie ihn nur Nikolaus nennen! Immer wieder ärgert sich Nikolaus grün und blau über seinen, wie er meint, lächerlichen Namen. Nikolaus, das ist ein achtjähriger Bub, ein richtiger Pfiffikus, mit richtig tollen roten Locken und einer Milchstraße von Sommersprossen in seinem Gesicht. Eigentlich ist Nikolaus ja rundum glücklich und zufrieden, wäre eben da nicht dieser Name; - Nikolaus! Sein Widerwillen geht sogar so weit, dass Nikolaus sich bisher auch mit keinem noch so lustigen Spitznamen anfreunden konnte. Egal, wie Nikolaus seinen Namen auch versuchte abzukürzen, etwa Nik, Niko, Niki, Ik, Iko, Kola oder gar Laus! Der Name Nikolaus bringt den Jungen ganz einfach zur Verzweiflung. Da hilft es auch nichts, dass ein berühmter Autorennfahrer ebenso heißt. Was interessiert denn Nikolaus schon sein rasender Namensvetter! Selbst wenn alle Berühmtheiten dieser Welt Nikolaus hießen, er wollte nie so heißen und basta! Und obwohl ihn in der Schule nie wirklich jemand wegen seines Namens hänselte, war Nikolaus ob seines Namens stets unglücklich. Heute ist wieder einmal der 6. Dezember, also Nikolaustag. Es ist früher Abend, als Nikolaus mit den Nachbarskindern auf die Straße hinausgeht, um nach Nikolausen oder Krampussen Ausschau zu halten. Dicht wirbeln dicke Schneeflocken vom Nachthimmel und die Straßen und Gehsteige sind zentimeterdick mit einer Schneeschicht bedeckt. Immer wieder nehmen die Kids Anlauf, um über die spiegelglatte Schneefahrbahn zu schlittern. Wenigstens für den Moment hat Nikolaus seine Probleme mit dem Namen vergessen. Da! Plötzlich biegen ein Nikolaus und zwei Krampusse um die Ecke. Sofort rufen die Kinder mit sich überschlagenden Stimmen: „Der Krampus und der Nikolo, die sitzen auf dem Klo, sie sitzen schon seit viertel vier und warten auf das Klopapier!“ Während der Nikolaus sichtlich unbeeindruckt festen Schrittes weiter durch das dichte Schneegestöber stapft, rennen die beiden Krampusse mit wildem Kettengerassel und bedrohlichem Gebrüll auf die Kinder zu. Kichernd und schreiend stieben die Kids nach allen Richtungen auseinander. Auch Nikolaus sucht sein Heil in der Flucht! Wer will denn schon mit der Birkenrute den Hosenboden versohlt bekommen. Und ausgerechnet hinter Nikolaus rennt jetzt einer der beiden großen Krampusse her. Dabei hätte Nikolaus allein schon wegen seines eigenen Namens dieses kecke Sprücherl nie und nimmer gerufen. Als sich Nikolaus kurz umblickt, sieht er ein riesiges, pelziges Ungeheuer mit einer Furcht einflößenden Teufelsfratze, in der zwei Augen glühen und aus der eine lange blutrote Zunge heraus hängt. Laut keuchend holt das schwarze, pelzige Ungeheuer immer mehr auf, wobei es gefährlich drohend seine riesige Rute schwingt. Nikolaus rennt, so schnell er nur kann. Plötzlich sieht er vor sich zwei Scheinwerfer aufblitzen, dann ist das Auto auch schon heran. Nikolaus läuft voll in das auf ihn zurutschende Auto und wird anschließend auf den Gehsteig geschleudert, wo er bewusstlos liegen bleibt. Als Nikolaus kurz darauf wieder zu sich kommt, sieht er zuerst verschwommen und dann immer klarer ein besorgtes Gesicht mit einem langen, weißen Bart und langen weißen Haaren. Nikolaus möchte sprechen, sich entschuldigen, will dem Nikolaus sagen, dass er ihn gar nicht verspottet hatte, aber er bringt trotz aller Bemühungen kein Wort heraus. Der Nikolaus sitzt auf dem mit Schnee bedeckten Gehsteig und hat den Kopf von Nikolaus in seinen Schoß gebettet. Vorsichtig streichelt der Nikolaus mit seinen weiß behandschuhten Händen den Kopf des Buben. „Der Krankenwagen ist gleich da.“, flüstert er Nikolaus beruhigend ins Ohr. „Du brauchst keine Angst zu haben, es wird alles wieder gut.“ Erst jetzt bemerkt der Bub, dass er im dicken, roten Mantel seines Namenvetters eingewickelt ist, während der Nikolaus selbst in Hemd und Hose auf dem Gehsteig sitzt und vor Kälte bibbert. Nach endlos scheinenden Minuten trifft schließlich ein Krankenwagen ein, welcher Nikolaus mit Blaulicht und Folgetonhorn ins Krankenhaus bringt. Der Nikolaus fährt ebenfalls im Krankenwagen mit und spricht immer wieder beruhigend auf den Buben ein. Nikolaus ist viel zu sehr geschockt, sodass er im Spital die ganzen Untersuchungen gar nicht richtig mitbekommt. Gleich, nachdem er auf das Krankenzimmer gebracht wurde, schläft er auch schon ein. Als Nikolaus am nächsten Tag erwacht, sitzen seine Eltern mit dem behandelnden Arzt am Krankenbett. „Junger Mann,“ sagt lächelnd der Arzt zu Nikolaus, „du hast großes Glück gehabt. Außer ein paar Prellungen, die dich sicher noch einige Zeit schmerzen werden und der Riesenbeule auf dem Kopf, hast du dir nichts getan. Aber hätte sich der Nikolaus nicht so um dich gekümmert, wäre die Sache wahrscheinlich doch schlimmer ausgegangen!“ Schuldbewusst nickt Nikolaus mit dem eingebundenen Kopf, welcher ihn nun immer mehr zu schmerzen beginnt. Plötzlich geht leise die Tür auf und herein kommt der Nikolaus mit einem groß gewachsenen, jungen Mann, der allerdings ziemlich blass um die Nase aussieht. Sogleich entschuldigt sich der junge Mann zuerst bei den Eltern des Buben und dann bei Nikolaus selbst. Er war es nämlich gewesen, der gestern als Krampus verkleidet hinter Nikolaus her rannte. Nikolaus muss insgeheim grinsen, als er sieht, welches „Ungeheuer“ ihn da gestern verfolgt hatte. Wie aus dem Nichts hat der Nikolaus plötzlich einen riesigen, roten Nikolaussack auf das Bett des Buben gezaubert. Als der Junge den Sack öffnet, sieht er, dass dieser randvoll gefüllt ist mit Orangen, Äpfeln, Nüssen, einem Zwetschkenkrampus, einem Lebkuchen-Nikolaus, Feigen, Mandarinen, Schokolade und anderen Süßigkeiten. Klar, dass ob so vieler Naschereien Nikolaus über das ganze Gesicht strahlt und sich bei seinem Namensvetter artig bedankt. Nikolaus bedankt sich aber nicht nur für die vielen guten Sachen, sondern auch dafür, dass ihm der andere Nikolaus bei seinem Unfall so großartigen Beistand geleistet hatte. `So ein Nikolaus´, denkt sich Nikolaus insgeheim, `ist eigentlich gar nicht so übel. Nicht nur, dass er mir fast das Leben gerettet hat, er ist obendrein auch riesig nett´. Und in diesem Augenblick nimmt sich Nikolaus ganz fest vor, dass er von nun an sein ganzes Leben lang auf seinen Namen stolz sein wird.

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