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Als das Christkind den Weihnachtsmann traf...

Autoren: Hans-Peter Voglhuber

Gattung: Prosa

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Textproben:

Als das Christkind den Weihnachtsmann traf . . .

Neulich hatte ich ein Erlebnis, das mir wahrscheinlich niemand glauben wird und wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich es auch nur schwerlich glauben. Aber die Geschichte muss trotzdem wahr sein, denn wie sonst wüsste ich sie so genau zu erzählen? Also, es war eines Tages in der Nacht! Der Himmel war klar, die Sterne funkelten wie immer um die Wette und ich lag im Bett, schlief und träumte. Nein, geträumt haben konnte ich eigentlich nicht! Denn was ich gleich darauf erlebte, konnte nie und nimmer einfach nur ein Traum gewesen sein! Ich musste dabei sogar auch ein bisschen außerhalb meines Bettes gelegen haben, weil es rund um mich nur mehr den Sternenhimmel gab. Ich lag also im wahrsten Sinn des Wortes im Himmelbett, da sah ich auf einmal den Weihnachtsmann mit seinem von acht Rentieren gezogenen Schlitten durch das Weltall schlittern. Er hatte wie immer allerbeste Laune und trällerte und lachte, dass ich ihn insgeheim schon verdächtigte, er hätte vom vorweihnachtlichen Punsch wohl einen kleinen Höhenrausch. Im Himmel herrscht zwar striktes Alkoholverbot, aber der Weihnachtsmann, ein lustiger Bursche wie er nun einmal ist, kommt viel herum. Außerdem kann er seine dicke, fleischige, rote Nase sicher nicht von der Kälte allein haben. Da jagte also der Weihnachtsmann mit seinem Rentiergespann durch den Äther, dass den Sternen beinahe das Funkeln verging und es selbst der Sonne ganz heiß wurde. Urplötzlich wurde das fröhliche Schlittengespann so abrupt gestoppt, als wäre es gegen eine riesige unsichtbare Mauer gekracht. Vor dem erstarrten Rentiergespann stand ein kleines, zierliches Engelchen, mit langen blonden Haaren, dessen zartes Figürchen in ein langes, weißes, mit Goldsternchen übersätes Kleidchen gehüllt war. Seine zarten Pausbäckchen waren von lieblichstem Rosa überzogen und die himmelblauen Augen blitzten missbilligend den verdutzten Weihnachtsmann an. „Ho, ho, ho!”, grummelte erstaunt der Weihnachtsmann, nachdem er sich vom ersten Schrecken erholt hatte, „was machst denn du da, Christkind?“ „Dasselbe könnte ich dich fragen!“, erwiderte das Christkind ein klein wenig verstimmt, „wieso rast du denn so durch den Himmel? Du machst ja die Sterne scheu! Und außerdem habe ich dich beobachtet, wie du mit deinem Rentierschlitten entgegen die Drehrichtung der Erde gesaust bist. Findest du das etwa lustig?“ „Mein liebes Christkind“, entgegnete der Weihnachtsmann belustigt, „ist es denn verkehrt fröhlich zu sein? Gibt es nicht ohnehin genug schlimme Dinge auf der Welt? Soll ich da auch noch Trübsal blasen? Gerade die Kinder erwarten von mir, dass ich gut drauf bin!“ „Alles, was die Kinder von so einem Kerl wie dir erwarten, sind Geschenke, Geschenke und nochmals Geschenke!“, spöttelte das Christkind. „Christkind, jetzt bist du aber ungerecht!“, widersprach ein nun doch ziemlich beleidigter Weihnachtsmann, „ich bin für die Menschen mehr, als nur ein Geschenkbringer! Ich bin der Weihnachtsmann, der Santa Claus und ich habe noch viel mehr Namen, in jedem Land sogar einen anderen!“ „Das ist es ja eben!“ rief das Christkind erregt, obwohl es sich für das Christkind eigentlich nicht geziemte, erregt oder gar zornig zu sein. Aber der Weihnachtsmann mit seinem großspurigen Gehabe und seinen lockeren Sprüchen konnte sogar das Christkind manchmal ganz schön auf die Palme bringen. „Zum Dank dafür, dass wir dich zu Weihnachten die Menschen beschenken lassen“, schimpfte nun das Christkind, „benimmst du dich fast wie einer von ihnen! Aber was sag ich denn, in Wirklichkeit bist du ja ohnehin nur eine Erfindung der Menschen!“ „Ho, ho, ho, mein liebes Christkind, ich bin nicht mehr und nicht weniger echt als du!“ grollte der Weihnachtsmann beleidigt. „Also! Also! Jetzt schlägt´s aber dreizehn!“, rief das Christkind außer sich vor Ärger, „du weißt ganz genau, dass du erst 1823 auf Grund des Weihnachtsgedichtes „The night before Christmas“ als Weihnachtsmann zu existieren begonnen hast, während es mich seit Menschen Gedenken gibt! In Wahrheit bist du eine schlichte Kunstfigur, sonst nichts! Wäre nicht morgen Weihnachten, ich würde sagen, du bist eine großspurige Witzfigur, ein Hochstapler! Jedes Jahr fetzt du zu Weihnachten über die Erde und schleimst dich bei den Kindern ein, mit Geschenken, die du einfach lieblos durch die Rauchfänge wirfst oder in irgendwelche Stiefel und Socken stopfst! Das Einzige, was du kannst, ist gedankenlos großzügig Geschenke verteilen!“ Der Weihnachtsmann wusste natürlich, dass das Christkind im Grunde genommen Recht hatte. Doch so leicht wollte er sich nicht geschlagen geben. „Und du, Christkind!“, der Weihnachtsmann war so gekränkt, dass er nun nicht mehr `mein liebes Christkind´ sagte, „beschenkst du die Menschen etwa nicht? Legst du den Kindern vielleicht keine Gaben unter den Christbaum, den übrigens sowieso niemand braucht! Schade um jedes dieser armen Nadelbäumchen! Wegen mir hat noch nie ein Bäumchen sterben müssen! Denn meine Geschenke können genauso in Strümpfe, Schuhe und Stiefel gesteckt oder durch den Kamin geworfen werden! Also! Wo ist denn jetzt zwischen uns beiden noch ein Unterschied?! Ich sehe keinen!“ Gewichtig und breit grinsend lehnte sich der Weihnachtsmann auf seinem Kutschbock zurück. Doch das Christkind schien über die Keckheit des Weihnachtsmannes überhaupt nicht mehr ungehalten oder gar böse zu sein. Im Gegenteil, es sah den Weihnachtsmann gütig, ja beinahe mitleidig an und sagte dann leise aber bestimmt: „Mein lieber Weihnachtsmann, während sich die Kinder von dir, dem Weihnachtsmann, einfach nur recht viele Geschenke erhoffen, GLAUBEN sie an mich! Die Menschen glauben sogar dann an mich, wenn sie von mir gar keine Geschenke bekommen oder wenn es ihnen schlecht geht! Du hingegen bist für sie in Wahrheit nichts anderes, als ein weihnachtlicher Geschenke-Lieferant, ein lustiger, dicker Packerlzusteller!“ Als das Christkind sah, dass der Weihnachtsmann auf diese Vorhaltungen hin ganz traurig geworden war und wie er sich nun auch noch verstohlen eine Träne aus den Augen wischte, da tat dem Christkind leid, was es eben zum Weihnachtsmann gesagt hatte und es streichelte liebevoll die rote Nase von Rudolph, dem Oberrentier des Weihnachtsmannes. „Weißt du was, Weihnachtsmann“, sprach das Christkind mit sanfter, versöhnlicher Stimme. „ich finde es ja eh gut, dass es dich gibt und es ist schon recht, dass du mich zu Weihnachten unterstützt und den Menschen die vielen Geschenke bringst. Es ist schon in Ordnung, wie du bist!“ Und mit einem listigen Zwinkern seiner blitzblauen Engeläugelein fügte es schelmisch hinzu: „Weil, je großzügiger du mit deinen Geschenken bist, desto lieber wollen die Menschen an mich, das Christkind, glauben!“ Da ließ der Weihnachtsmann wieder sein übermütig grollendes Gelächter hören, schwang die Peitsche über den Köpfen der Rentiere und weg waren alle! Auch das Christkind. Ich sah niemanden mehr von ihnen. Zu gern hätte ich mich in die Debatte zwischen Weihnachtsmann und Christkind eingemischt, aber das Einzige, was ich sah, war das Leuchtzifferblatt meines Weckers und auf dem war es ein Uhr nachts.

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