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Die gute alte Zeit

Leben und Brauchtum aus dem Innviertel

Autoren: Käthe Koller
Verlag: Landesverlag Ried, Ried i. I, 1980
Gattung: Prosa | Veröffentlichungstyp: Buch

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Textproben:

Die Gesundbeterin Meine Großmutter, die Ahnl, wie sie alle nannten, war eine herzensgute, aber doch etwas eigenartige Frau. Wir Kinder hatten sie zwar recht gern, aber eine gewisse Scheu hielt uns doch irgendwie vor ihr zurück und das kam so: Unsere Ahnl konnte das "Wenden", wie man es damals nannte. Heute ist es ja schon wieder modern, nur kennt man es unter einem anderen Namen. man nennt es "geistheilen", "gesundbeten" und dergleichen. Über den Geschäftsgang konnte sich die Ahnl nicht beklagen, Kranke gab es zur damaligen Zeit genug, da bei der Landbevölkerung niemand krankenversichert war. Die ärztliche Kunst nahm man nur im äußersten Notfall in Anspruch, weil dies zu teuer kam. Zuerst probierte man alle möglichen und unmöglichen Hausmittel aus und dann blieb noch immer das allseits geschätzte "Wenden". Gab es also in der näheren oder weiteren Verwandtschaft so einen aussichtslosen Fall oder auch in der Nachbarschaft oder sonstigen Dorfgemeinschaft, kam man zur Großmutter und erzählte ihr die "Krankengeschichte" des Patienten. Dann wurde es für uns Kinder spannend. Die Ahnl verschwand in ihrer Schlafkammer, blieb eine Weile drinnen, und wenn sie wieder herauskam, wußte sie, was dem Patienten fehlt. Dann wurde die "Heilanwendung" besprochen. Keine Hexentrankerl und dergleichen, sondern eine Menge Gebete. Je nach Schwere des vermeintlichen Falles. Die Angehörigen des Patienten, oder jener selbst, mußten 9 oder 2 mal 9 Tage lang zur gleichen Stunde wie meine Großmutter mit einer zweiten Person zusammen die gleichen Gebete verrichten. Hatte die "Medizin" geholfen, so brachten die Leute in Form von Naturalien wie Schmalz, Selchfleisch, Butter und dgl. den Dank oder die Bezahlung, wie man es nennen will. Half die Behandlung nichts, so brauchte auch nicht bezahlt werden. In wievielen Fällen diese Therapie half oder versagte, das entzog sich meiner Kenntnis.

/ 1980

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