Publikationen-Suche:

Doch der Mostdipf bleibt der Mostdipf

Unveröffentlichte Prosa

Autoren: Joschi Anzinger
Linz, 2002
Gattung: Prosa | Veröffentlichungstyp: Literaturnetz

Kein Foto vorhanden

Textproben:

Doch der Mostdipf bleibt der Mostdipf Wo liegt der Hacken? Gibt es Probleme? Es gibt Probleme. Vermehrt. Täglich gibt's Neue. Es ist alles verworren, weil man will sich die Welt nicht mehr so einfach machen wie eh und je. Wie früher einmal. Das Ding, die Sache, bleibt zwar das Alte, Bewährte, doch vonunsaus, unseretwegen egal, aber...! Was aber...! Das Alte, das seit Ehundjeige, darf nicht mehr so heißen, wie es heißt, oder weil es sich schon umbenannte, wie es hieß. Es braucht ein neues Profil. Es will anders lauten, alles. Deshalb braucht es ein neues Erscheinungsbild. Eines, das dem Zeitgeist genüge tut. Eines, wo man sieht: Aha...! Da tut sich was. Da geht was weiter, da rührt einer ordentlich um. So Eines! Allerorts wird zeitgegeistert. Allseits wird neugenannt. Ringsum wird umbenannt. Aus Hollerröster wird plötzlich Hollunderpuding. Aus Griesschmarrn mit Zwetschkenkompott wird ein Schitschi mit Pflaumenmus. Aus Blunzen mit Erdäpfeln und Sauerkraut werden Country Gucci und Napfkartoffeln mit Weinkrautschälchen. Aus dem Bergsteigersepp wird auf einmal ein Urlauberanimateur, aus der Gusti wird eine Tina, und aus der UdSSR wurde ganz was anderes, was ein bissl mit Demokratie und Unabhängigkeit, mit Selbstbestimmung, also hauptsächlich irgendwie mit einem besseren, moderneren Leben in Zusammenhang gebracht werden möchte. Da sind doch die Waschpulverkonzerne ehrlicher, weit aufrichtiger. Die erklären uns jährlich mit kontinuierlicher Regelmäßigkeit, ihre Produkte seien nun neu. Komplett anders. Megamodifiziert und phänomenal verbessert. Die gleiche Waschkraft, oder besser, die doppelte Waschkraft bei gleicher Pulverdosis. Oder noch g`scheiter: noch höhere Waschkraft bei fast keinem Pulver oder Pearls mehr. Null Verpackung, außer den Nachfüllsackerln. Alles super frisch duftend und irrsinnig gesund. Die Bachforelle ist direkt süchtig nach dem Schaum, welcher von den neuen Pulvern und Pearls in unsere Bäche schlaucht. Der Fischbestand unserer Flüsse ist der unschlagbare Beweis dafür. Nur, wo es genau noch die leckeren Tierchen zu angeln gibt, wurde verabsäumt zu verlautbaren, aber das läßt sich sicher bei den Servicetelefonen der Waschmittelkonzerne, aus ganz Europa zum Ortstarif, derfragen. Die Viecher sind zäh im Überleben, und die Pflanzen auch. Die Natur hält viel aus. Die Schöpfung läßt sich viel gefallen. Die Zauberkisten des Kunstfutters werden niemals leer. Die Genforschung wird das Übrige schon noch in den Griff kriegen. Sie wird das schon hinmaxeln, daß die Fische nicht nach nix schmecken, daß die Milch gleich vom Euter kommend nach Vanille, oder nach Kakao schmeckt, wetten? Während es keine UdSSR mehr gibt. Es gibt auch keine Sozialistischen Parteien mehr. Es gibt bloß noch sozialdemokratische Gruppierungen. Selbst dorten, im kleinen Albanien. Man wollte an der Macht bleiben, man mußte sich darum einen neuen Namen, eine neue Identität zulegen. "Kommunistisch?" Pfui Gaggerling...! Was soll das? Kein Hund nennt sich heute noch so. Die einst blanken Sicheln, die schweren Hämmer. Schrott. Alteisen. Aber man muß erfinderisch sein. Man hat mit der Zeit zu gehen. Das Zauberwort "Neu" vor das Alte, und ein anders Logo, ein Modernes, und die Sache ist wieder paletti. Ringsum wird erneuert. Allerorts wird nach neuen Namen gesucht. Auch Radioprogramme heften sich das Adjektiv "Neu" an die stolze Brust. Das Neue Radio Oberösterreich, das Neue Radio Steiermark, der Ultraneue ultrakurzwellige Schurkensender Ö3! Undsoweiterundsofort. Der Wörthersee? Neu! Der Neusiedlersee? Auch Neu. Die Nato? Neu - was denn sonst! Und der Bundeskanzler auch. Die Zeitungen sind allesamt neu, und das täglich, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Voest Stahl ist neu. Das hört sich gleich viel frischer an. In der Wirtschaft, in den Unternehmen: unter hellhörigen Werktätigen macht sich mancherorts schelmisches Grinsen breit. Dort hat man gleich ganze Betriebszweige und Abteilungen erneuert. Berufe umbenannt, andere Arbeitsmodelle, neue Strukturen ausgetüftelt. Man hat quergedacht. Man hat die Angestellten befragt, ausgefratschelt, ausgehorcht, ihnen Honig ums Maul geschmiert. Neue Berufsbezeichnungen wurden ersonnen, bestehende Tätigkeiten wurden umgedacht, umbenannt, und so "Neu" gemacht. Dingsbums Neu, nennt sich jetzt somanche Abteilung. Dieweil lächeln die Älteren des Personals und raunen sich zu: diese Arbeitsweisen hat man vor fünfzehn Jahren abgeschafft. Nur hießen sie damals wieder anders. Man muß mit der Zeit gehen, hat man damals gesagt. Man muß sich verändern. Und heute holt man diese Systeme wieder, mit neuem Kleide ausgestattet, hervor, und ist rechtens stolz auf die Erneuerung. Man muß listig sein. Man hat nach neuen Verpackungen Ausschau zu halten. In der Bibel gibt es dafür ein Gleichnis. Neues Korn in alte Säcke tun? Oder vielleicht umgekehrt? Altes Korn in neue Säcke füllen? Was war den das soeben? Was ist den überhaupt die Bibel? Was ist den das für ein Schmarrn? Was...? Die gibt's immer noch...? und sie ist weltweit das Buch mit der größten Auflage? Wie macht das die Kirche? Solche Gespräche machen die Runde. Die Sozialistische Partei Österreichs heißt auch nicht mehr so. Zu viel hat die Bezeichnung "Sozialistisch" durch allerhand Schandtat, in Tschetschenien, im ehemaligen Jugoslawien, in Albanien, in China, einen schlechten Beigeschmack bekommen. Weil Angst, Unterdrückung und Ausbeutung hinter diesem Kürzel hockt. Weil Blut von seinen Buchstaben rinnt. Seit geraumer Zeit schon nennt man sich deshalb anders, was nun wahrhaftig nicht zu verdenken ist. Man benannte sich um. Man ließ sich was anderes einfallen, nicht wirklich was total anderes, sondern einen neuen Namen. Sozialdemokratisch. Hört sich doch auch ganz nett an, oder? Die ÖVP war einmal, wie die wenigsten nur noch wissen werden, weil es schon Jahrzehnte Vergangenheit ist, Österreichs Volks Partei. Tatsächlich durfte auch sie nicht eher weilen, bis ein neuer Name geboren war. Und sie benannte sich, unter Beibehaltung des historischen Siegeskürzels, Österreichische Vize Partei. Vermutlich stimmt das nicht mehr, und sie hat sich schon wieder einen neuen Nimbus zugelegt. Oder es ist alles sonst nichts als ein Gerede, und es zeigt wieder einmal, wie patschert solche Geschichten der Welt ausgesetzt werden. Ein ganz schlimmes Gemunkel ist es, sie werde sich wieder Österreichische Volkspartei nennen. Die FPÖ war die FPÖ. Dann nannte sie sich mit lautem Geschrei und Trara "F", und glaubte, man hätte allein schon mit diesem Geniestreich die Wahlen gewonnen. Dann nannte sie sich flugs wieder FPÖ, und alles blieb doch wieder beim alten. Das LIF, das Liberale Forum: was ist den das? Noch nie gehört. Ist sicher auch wieder eine neue Bezeichnung für einen Alten Hut. Und das Grün in der Politik, das sind vermutlich Außerirdische, denn wer allen Ernstes gefordert hat, ein Liter Treibstoff sollte mindestens zwei Euro kosten, der muß doch fern von dieser Welt sein. Alles gibt sich neue Namen. Fast. Aber nun doch nicht alle und jede. Man klammert sich auch treu an das Althergebrachte, Gutbekannte, Bewährte, um sich wie an einen Strohalm daran zu krallen. Die Donau bleibt die Donau. Der Mostdipf bleibt der Mostdipf. Die Linzer Torte die Linzer Torte. Das Mühlviertel bleibt das Mühlviertel, auch wenn die meisten Leute in diesem Landstrich schon wie die Linzer reden. Wien bleibt Wien und der Mundl bleibt der Mundl. Und unser Geld hat auch anders zu heißen. Euro. Die Bezeichnung Schilling schmeckt denen in Brüssel nicht mehr. Jedoch Geld ist Geld, und Schnaps ist Schnaps. Und Namen sind Namen, und doch nur Märchen.

/ 2002

Zurück